Hildegard Schaefer

Biographie

Hildegard Schaefer wurde 1949 in Lauenburg geboren und lebt seit 1954 in Buchholz / Nordheide

Seit 2003 istsie Mitglied bei den Freien Deutschen Autoren, vorher und jetzt ist sie Teilnehmer in verschiedenen regionalen Schreibgruppen, hält Lesungen, gibt Workshops und ist mit Kurzgeschichten in verschiedenen Anthologien vertreten.

Hildegard ist Mitglied in der AWO-Buchholz

Sie schreibt uns alle 4 Wochen eine neue Geschichte.

Vom 15.04.2024

©Hildegard Schaefer

Sternenhimmel

„Nochmal gehe ich nicht den Weinberg rauf; das nächste Mal, wenn wir wieder unten im Dorf essen gehen, nehme ich das Auto.“ Hendrik schnaufte hörbar.

Verena erwiderte: „Sieh es doch einfach als längeren Verdauungsspaziergang zu unserer Pension an. Wir sind nun so rechtschaffen müde, um gleich ins Bett fallen zu können. Aber schau dir doch den Sternenhimmel an, so viele Sterne, und so deutlich zu sehen …“

Hendrik belehrte sie:“ Das ist kein Wunder, hier gibt’s es keinen sogenannten Lichtsmog. Großstädte sind weit weg, nur unten im Tal an der Moselschleife ist das kleine Dorf.“

„Lass uns zum Wingart gehen, wie unser Wirt immer sagt. Von da vorne haben wir einen schönen Blick auf das Dorf und seine Lichter.“

„Wenn du meinst“, Hendrik löschte die Taschenlampe, als sie angekommen waren. „Sieh dir nur diese Stromverschwender an, das ganze Dorf, alle die Lampen dort sind angeschaltet.“ Verena seufzte und schaute in den Himmel: „So viele Sterne. Wie Diamanten glitzern sie.“ Sie schwieg ergriffen, ließ dieses Bild auf sich einwirken. „Das ist Unendlichkeit, was ist dagegen unser kleines Leben hier unten. Das da oben, das ist die wahre Größe, es heißt nicht umsonst All. Ja, das All heißt, dass es alles meint. Alles Leben, alles Tote, alles Unfassbare, alles Göttliche. Und schau dir nur den Mond an, wenn Vollmond wäre, könnte er das Dunkle erhellen, aber diese schmale Sichel kann nichts gegen die Schwärze des Universums ausrichten. Und die Sterne sind zu weit weg.“

„Das ist die Milchstraße, sollen so 200 Milliarden Sterne dort sein, kannst du alles nachlesen, wenn’s dich interessiert. Ich zünd mir jetzt eine Zigarette an.“

„Wie kannst du nur!“ Für einen Moment wünschte sie sich, er könnte das Gleiche fühlen wie sie. „Diese herrliche Luft, riechst du es nicht? Keine Autos mit ihren Auspuffgasen, nur Stille, totale Stille. Ich glaube fast, dass man sogar Stille riechen kann.“

„Ich riech nichts, höchstens den Staub, den wir aufgewirbelt haben. Mir wird langweilig. Lass uns nach Hause gehen.“

„Du bist so ein Banause, wie konnte ich es nur so lange mit dir aushalten.“

„So bin ich nun mal, das wusstest du schon vor der Heirat. Du träumst und ich träume eben nicht, so ist das nun mal mit uns. Aber du hast schon Recht, es riecht hier gut und die Aussicht ist wunderbar. Gut, dass ich auf meinen Kumpel gehört habe und uns das Quartier hier besorgt habe, sonst hättest du nichts zum Schwärmen gehabt. Und nun gehen wir nach Haus, dort kannst du weiter von deinem Sternenhimmel träumen und ich von dem leckeren Frühstück morgen früh.“ Sie drehte sich noch einmal um und sah eine Sternschnuppe aufleuchten. Sich etwas wünschen, schoss ihr in den Kopf. Doch das, was ihr als erstes einfiel, wollte sie nicht mehr. Warum etwas verändern, das gut ist, so wie es ist. Sie streckte ihrem Mann die Zunge raus und sagte: „Ich wünsche mir, dass du so bleibst wie du bist, du Banause. In Rilkes Gedicht wird schon von Stein und Gestirn gesprochen, das hat er klar erkannt, du Stein.“ Sie wandte ihren Kopf dem Himmel zu und flüsterte leise „Danke, danke dafür, das alles so ist wie es ist. Und dass es so bleibt. Danke.“

Hendrik legte den Arm gönnerhaft um sie und flüsterte sanft. „Das habe ich doch gerne für dich getan, Schatz.“