Oma Hildegards merkwürdige Geschichten?

Hildegard Schaefer

Biographie

Hildegard Schaefer wurde 1949 in Lauenburg geboren und lebt seit 1954 in Buchholz / Nordheide

Seit 2003 istsie Mitglied bei den Freien Deutschen Autoren, vorher und jetzt ist sie Teilnehmer in verschiedenen regionalen Schreibgruppen, hält Lesungen, gibt Workshops und ist mit Kurzgeschichten in verschiedenen Anthologien vertreten.

Hildegard ist Mitglied in der AWO-Buchholz

Sie schreibt uns alle 4 Wochen eine neue Geschichte.
(um den fünfzehnten des Monats)

© Hildegard Schaefer

Schluss mit Lustig

Als Simon am Morgen den Vorhang zur Seite schiebt um das Sonnenlicht hereinzulassen, steht ein Mann auf der anderen Straßenseite und blickt durch die Fensterscheibe mitten in seine Augen. Simon wartet einen Moment, hofft, dass der Mann den Blick abwenden und weitergehen wird.

„Was ist denn da draußen?“, fragt Lena.

„Nichts.“ Er zieht den Vorhang zu, beugt sich zu ihr hinunter und gibt ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange.

Er geht ins Schlafzimmer und kommt nach ein paar Minuten blass zurück. „Lena, ich brauche Geld, ich bin in Schwierigkeiten.“

„Welche Schwierigkeiten, Schatz?“

„Das solltest du lieber nicht wissen, vertrau‘ mir einfach.“

Lena schweigt und geht ins Schlafzimmer. Wie ein zusammengesunkener Ballon hängt Simon auf dem Küchenstuhl, als sie zurückkommt und schreit: „Es ist gestohlen worden, der Tresor ist leer, das ganze Geld ist weg. Zum Glück habe ich die Monats-Einnahmen im Geschäftstresor gelassen. Wir waren doch gestern im Theater, in dieser Zeit ist wohl eingebrochen worden. Wir müssen sofort die Polizei rufen.“

Simon stellt sich vor ihr, immer noch ein Bild des Jammers. “Lena, ich war das.“

„Du?“, sie schaut ihn ungläubig an. „Warum? Ich verstehe nicht …“

„Deshalb.“ Er schiebt den Vorhang wieder zur Seite.

Der Mann steht immer noch dort an der Straßenecke und schaut zu ihm herüber. Er wartet.

„Er ist geschickt worden, von Donatus. Er soll das Geld holen.“

„Was für Geld, Simon, erklär mir doch bitte mal, was los ist. Ich verstehe überhaupt nichts mehr.“

„Ich habe Schulden gemacht.“

„Was für Schulden? Schatz, du hättest mich doch nur zu fragen brauchen, ich hätte dir bestimmt geholfen“

„Es sind Spielschulden, Lena, und ich schäme ich so.“

Ihr Gesichtsausdruck verhärtet sich. „Du hast also wieder damit angefangen. Deine Mutter hat mir erzählt, dass du damit Probleme hattest und sie dir immer wieder helfen musste. Warum bist du denn nicht zu ihr gegangen? Du bist doch ihr ein und alles.“

„Sie hat gemeint, dass ich durch dich nun genug Geld hätte und dass ich endlich damit aufhören muss. Sie hat mir nichts mehr gegeben.“

„Da bin ich ja ausnahmsweise mal ihrer Meinung. Der Typ dort“, sie deutet auf den Mann auf der Straße, „der bleibt und wartet, nicht wahr?“

„Ja.“

„Und er könnte unangenehm werden?“

„Sehr sogar, und er würde wiederkommen, jeden Tag. Ich kenne ihn. Ich hatte letzten Monat eine Pechsträhne, alles Geld, das ich vorher gewonnen hatte, war weg und nun sind eben diese Schulden da.“

„Wieviel?“

„Zwanzigtausend.“

Sie schaut ihn lange stumm an. Ihre Zähne mahlen aufeinander so dass sich ihre Gesichtszüge verschieben und die Harmonie ihres Gesichts zerstört wird. Dieses eine Jahr des Zusammenlebens mit ihm hat sie hässlicher werden lassen. „Ein letztes Mal, Simon, ein allerletztes Mal. Ich gehe zu dem Typen dort und rede mit ihm. Ich hole dir zum letzten Mal die Kastanien aus dem Feuer.“

Sie verlässt das Haus und knallt die Tür zu.

Simon sieht sie die Straße überqueren und mit dem Mann reden, dann biegen sie um die Ecke. Er atmet auf und kocht sich einen Kaffee. Entspannt lehnt er sich zurück und zündet sich eine Zigarette an. Es ist die letzte, er zerknüllt die Packung und wirft sie in den Papierkorb. Daneben. Er lässt sie achtlos liegen und schaltet das Radio an.

Nach einer Weile kommt Lena zurück. „Ich gehe gleich ins Geschäft und anschließend schlafe ich im Hotel. Ich habe das Zimmer schon gebucht, packe nur noch ein paar Sachen ein. Wenn ich morgen Abend wiederkomme, dann bist du nicht mehr hier. Verstanden?“, sie blitzt ihn an.

„Aber Lena, wo soll ich denn hin?“

„Na, wohin wohl. Deine Mutter nimmt dich mit Freuden auf, da bin ich mir sicher.“

Er sieht ihr hartes Gesicht, sieht sie die Tür zuschlagen und über die Straße gehen. Sie blickt nicht zurück.

Abends geht er wieder zu Donatus. Er öffnet die Tür zu dem Raum, wo sie sitzen, wo das Glück jeden Abend herausgefordert wird. Simon strauchelt, hält sicher gerade noch an der Klinke fest. „Lena, was machst du denn hier, ich verstehe nicht was das soll …“

„Was du kannst, kann ich schon lange. Und so wie es aussieht, habe ich mehr Glück.“ Sie lächelt Donatus an und bewegt leicht den Kopf. Ihm fällt auf, dass sie geschminkt ist und ein verführerisches Kleid trägt, das er noch nie bei ihr gesehen hat. Sie sieht gut aus.

Donatus tritt an ihn heran und packt seinen Arm. „Verschwinde, Simon, ich will dich hier nie wieder sehen, endgültig. Und Schluss mit Lustig.“ Dabei sieht er aus, als würde er gleich sehr unangenehm werden.